Seit dem Elani denken kann begleiten sie die dunklen Gedanken und die Traurigkeit. Und seit einigen Jahren versinkt sie gänzlich darin. Sie hasst dieses stumpfe Gefühl in ihrem Herzen und der Magengegend, welches sie ständig erfüllt. Außer, sie ist zutiefst traurig. Das wohl einzige Gefühl, welches sie meint wirklich wahrnehmen zu können. Ihre Eltern starben bei einem Autounfall, da war das Mädchen gerade einmal neun Jahre jung. Danach lebte sie eine Zeit lang bei ihrer Großmutter. Doch die alte Dame war bereits krank und benötigte Tabletten um über den Tag zu kommen. Tabletten, die auch Elani für sich entdeckte, denn sie waren ein Weg, wie sie endlich auch so etwas wie Glück und Freude empfinden konnte. Sie wollte alles, außer die Stumpfheit und diese endlose Schwärze. Der Abstieg in ein tiefschwarzes Loch, noch bevor sie dreizehn wurde. Und dann starb auch ihre Granny. Etwas, wofür sie sich selbst die Schuld gab, hatte sie der Frau schließlich ihre Medikamente geklaut. Doch anstatt aufzuhören sank sie der Schuldgefühle weiter in einem Abgrund. Eine scheinbar endlose Spirale. Mit dem Tod ihres letzten verbliebenen Familienmitgliedes wurde sie von einer Pflegefamilie in die nächste gesteckt. In der Hoffnung, dass irgendjemand das Mädchen auffangen könnte. Seit einigen Wochen ist sie nun bei den Gales und sieht schon lange nicht mehr den Sinn. Den Sinn in allem und vor allem ihrer eigenen Existenz.

Der kleine hyperaktive Flummi ist schon seit zwei Jahren ein Pflegekind der Gales. Shona nennt ihn liebevoll ihren kleine Strahlemann und kann absolut nicht verstehen, wie so ein emphatischer lebensfroher Junge von seinen Eltern so vernachlässigt werden konnte. Klar, er strapaziert oft auch ihre Nerven, doch würde ihr im Gegenzug zu seinen leiblichen Eltern niemals die Hand ausrutschen. Sie weiß, wie sie ihn beschäftigen kann und der Wirbelwind ist mittlerweile ein begeisterter Gärtner und hilft der alten Frau aus, wenn der Rücken oder die Knie wieder mal nicht mehr mitspielen wollen. In Adreano liegt aktuell die größte Hoffnung, dass der Junge bald eine neue liebevolle und vor allem feste Familie kommen kann. Der beste Kandidat für eine Adoption. Nur dieses Mal mit einem Paar, welches geduldig und liebevoll zu ihm ist. Jemand, der weiß, wie man ihn auch ohne Gewalt zu bändigen weiß. Er glaubt nicht unbedingt daran, dass Shonas Wünsche in Erfüllung geht. Tief im Inneren ist er überzeugt nur eine Last für alle zu sein.

Gael, der Unfall. Der Junge, der nicht gewollt war. Seine alkoholkranke Mutter hatte ihm das oft gesagt. Dass er nicht geplant war, sondern eher per Zufall gezeugt war und er allein die Schuld für ihre verpasste Jugend bedeutet. Sein ganzes Leben hatte er nie etwas anderes zu hören bekommen und er fühlt sich auch nicht unbedingt schlecht, dass seine Mutter mittlerweile viel zu nierenkrank ist, als dass sie sich weiter um ihn kümmern könnte. Als hätte sie das je getan. Von seinem heroinsüchtigen Vater würde er erst nicht einmal anfangen zu sprechen. Der Junge ist im Dreck geboren und viel zu lange wurde ihm eingeredet, dass er nicht viel mehr als Abschaum sein. Also verhielt er sich genau so: Oft verschwand er über Tage, schwänzte die Schule, rauchte und trank bereits in viel zu jungen Jahren und vertickte irgendwann in seiner Schule Gras. Er machte es den Behörden nicht unbedingt schwer auf sich aufmerksam zu machen. Seine Eltern waren fast bereit sogar noch das bisschen Ersparten und den Modeschmuck den Sozialarbeitern vor Dankbarkeit hinterher zu werfen, als sie Gael rausholten. Robert war es, der bei einem der gemeinsamen Amtsgänge Sozialarbeiter von dem Fall sprechen hörte und das Kind sehen wollte. Er wusste nicht was es war, was ihn dazu veranlasste ihn als erste Anlaufstelle aufnehmen zu wollen. Mitleid? Trauer? Fremdscham gegenüber den Eltern? Oder Wut? Am Ende war es egal, er wollte dem Jungen helfen. Völlig egal, wie schwer es sein würde und ob es das Letzte war, was er in diesem Leben noch erreichen wollte.

Samantha ist gut darin immer wieder zu betonen, dass sie anders ist und absolut keinen Schimmer hat, weshalb sie hier ist. Oder überhaupt in eine Pflegefamilie gehört. Sie verdrängt und das schon ihr gesamtes Leben. Hat sie in ihrem bisher kurzem Leben einige Traumata hinter sich. Die meisten rühren daraus vergessen zu werden. Einer der Gründe, weshalb sie eher laut ist und sich in den Mittelpunkt bringen möchte. Nicht, weil ihr diese Position gefällt, sondern um nicht übersehen zu werden. Aus ihrer verbliebenen Familie fühlt sich niemand dazu verpflichtet auf das Mädchen aufzupassen, nachdem ihr alleinerziehender Vater so sehr mit der Erziehung überfordert war, dass er selbst auf die Behörden zugegangen ist und Hilfe ersucht hat. Sam versteht das nicht und verdrängt auch das wunderbar. Ihr großartiger Vater wird sie sicherlich morgen holen. Oder gleich. Er ist praktisch schon auf dem Weg. Währenddessen baut sie neben der Schule eine Social Media Persönlichkeit um sie auf und genießt jeden Like, jeden Kommentar und zelebriert jeden weiteren Follower. Alles, was Aufmerksamkeit bringt ist wie Balsam für die einsame Kinderseele.